Der Wächter – Na, warum ist das Bundesheer eigentlich nicht verteidigungsfähig?

Wehr- und Sicherheitspolitisches Bulletin Nr. 2/3/24

Es ist wirklich faszinierend: Jahrzehntelang haben nachdenkliche Verteidigungsexperten vor einer Abrüstung der schweren Waffen gewarnt, haben Militärspezialisten eine Verbesserung der Luftabwehr verlangt, hat die Offiziersgesellschaft ein höheres Wehrbudget angeregt und war damit sogar in Übereinstimmung mit dem damaligen Vorsitzenden der letzten Bundesheerreformkommission, tja, und ein vom Fach kommender Kurzzeitverteidigungsminister hat entsprechende Analysen über die Herausforderungen der Zukunft anstellen lassen, aber all das wurde in einem geifernden Chor von Politik und Medien lächerlich gemacht und als nicht notwendige „toys for boys“ abgewertet. Und heute? Heute fragen oft dieselben Journalisten mit der ihnen fallweise eigenen anmaßenden Arroganz, warum denn das Bundesheer die Republik Österreich nicht verteidigen kann und was denn das Bundesheer zu tun gedenkt, um diesen Missstand zu beseitigen.

Die Frage müsste eigentlich lauten: Wann werden die für dieses Schlamassel verantwortlichen Politiker der letzten Jahrzehnte zur Verantwortung gezogen, weil sie den Staat unter Missachtung der Verfassung schutz- und wehrlos gemacht haben? Immerhin heißt es dann auch noch in dem so hoch geschätzten Neutralitätsgesetz: „Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.“

Wenn man sich aber mit allen zu Gebote stehenden Mitteln verteidigen will, wird man diese auch einmal ordentlich bereitstellen müssen. Hier sei nun auch einmal der Begriff der Verteidigung erläutert: Im sicherheitspolitischen Kontext bezieht sich der Begriff „Verteidigung“ auf eine strategische Option, bei der Streitkräfte oder Truppen eingesetzt werden, um das eigene Territorium, die eigenen Interessen oder Ressourcen vor feindlichen Angriffen, Invasionen oder Bedrohungen zu schützen. Das muss zu Lande, zu Wasser, in der Luft und zunehmend auch im Informationsraum und im Weltraum erfolgen können. Was es bedeutet, sich verteidigen zu müssen, sehen wir täglich in der Ukraine.

Nun leistet sich die Politik ja Experten, die laufend die sicherheitspolitischen Entwicklungen und den waffentechnischen Standard verfolgen, hört aber oft nicht auf sie. Andererseits gibt es fallweise auch Experten, die aus Karrieregründen den politischen Forderungen willenlos folgen oder Politikern nach dem Mund reden, womit sie zwar den Interessen der Politik, aber nicht der Sache und dem österreichischen Volke dienen.

Es braucht aber schon auch ein gewisses Maß an Ignoranz, wenn sich Pazifisten über Soldaten lustig machen, die ein brauchbares Handwerkszeug benötigen, um den verfassungsmäßigen Auftrag zu erfüllen und eine Überlebenschance am Gefechtsfeld zu haben. Leider gibt es in unserer Gesellschaft noch immer Träumer, die glauben, dass es Frieden ohne Waffen geben kann und uns die Neutralität ohne militärisches Back-up schützen wird.

Ja, das Bundesheer kann Hilfe leisten, wenn Hochwasser, Lawinen und Muren zur Bedrohung werden, und das Bundesheer kann Polizeiaufgaben übernehmen, wenn diese überfordert ist. Das Bundesheer kann auch einen Beitrag zum Frieden im Ausland leisten und das Bundesheer kann luftpolizeiliche Aufgaben im Luftraum übernehmen. Aber die Souveränität, die Neutralität oder das Territorium nachhaltig verteidigen und die Bevölkerung gegen Luftangriffe schützen, kann es derzeit noch genau so wenig wie das Neutralitätsgesetz, welches auch keine Drohnen abfangen kann, die sich auf Wien stürzen. Es soll hier nicht Schwarzmalerei betrieben werden, aber so, wie es unter der derzeitigen Regierung begonnen wurde, muss der Wiederaufbau des Bundesheeres zügig vorangetrieben werden, um nicht von bösen Entwicklungen überrascht zu werden. Alle, die dagegen opponieren, wird man fragen müssen, welche Interessen sie in dieser Republik eigentlich vertreten.

Dieser Wächter wurde im „Offizier 1/2024“ veröffentlicht. Die elektronische Version finden sie hier zum Download und hier zum Blättern!

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